Ich fahre grad in der Schweiz hin und her. Und nachdem ich mir in Basel den Rhein und in Schwyz und Luzern die Berge angeschaut hab, bin ich im Autonomen Beauty Salon in Zureich gelandet, wo ich gestern ein kleines Spontankonzert am Lagerfeuer gespielt hab. Schön wars. Das besetzte Haus ist beeindruckend. Wobei besetztes Haus eher untertrieben ist: Besetztes Areal wäre treffender. Eine alte Farbenfabrik aus den 60ern mit grossen Hallen und Aussichtsturm und eine ehemalige Autowerkstatt mit Kulturzentrum. Hier haben am Montag „Mülheim Asozial“ zum Massenpogo angestachelt, hier wird die Tage das Buch zur „Butch Meier Band“ gelesen…
Sehr hübsch das alles – doch das Paradies ist bedroht. Grund genug, ein wenig mit Reto aus dem ABS zu plaudern:

Wie seid Ihr eigentlich zu Eurem Namen gekommen?
Das war vorher der Auto Beauty Salon – eine Autowerkstatt, die diesen wunderschönen Namen hatte.
Da brauchtet Ihr ja nicht viel ändern.
Nö. So ein Hintergrund vom ABS ist, dass es schon Vorläufer gab wie die Kalki oder noch davor das Egocity, die sich von anderen Besetzungen in Zürich unterschieden, weil sie in erster Linie Kulturbesetzungen waren. An der Wand dahinten steht übrigens „Schönheit kommt von Unten“.
Ist das für Euch auch ne Abgrenzung von den vorherrschenden Vorstellungen von Schönheit?
Darüber wird hier auch geredet. Natürlich ist das hier ne Gegenwelt zu der sauberen, geputzten und normierten „Schönheit“.
Und was macht Ihr so auf dem Gelände?
Es gibt ein wundervolles Programm (lacht) eine Fahrradwerkstatt, die sich als offener Raum versteht, eine Siebdruckwerkstatt, die Bibliothek, einen Gratisladen, eine Werkstatt, einen Proberaum, eine Skategarage und zwei Veranstaltungsräume für Diskussionen, Essen, Konzerte, Kino und Solipartys. Allerdings läuft manches nicht mehr auf dem Level wie noch bis Ende März. Schuld ist die drohende Räumung. Aber es gibt auch wieder Platz fuer neue Ideen und Experimente. Grade auch weil mittlerweile das ganze Areal besetzt ist, wir also viel mehr Platz haben.
Für die drohende Räumung war doch der 1. 4. im Gespräch. Warum seid Ihr immer noch drin?
Auf dem Gelände gibts auch noch Mieter_Innen und die wehren sich rechtlich gegen einen Rausschmiss. Sie machen einen sogenannten Auszugsboykott, sprich sie zahlen die Miete weiter und die Eigentümerin versucht sie rauszuklagen. Gegen den Klage wurde Einspruch erhoben, weil es noch keinen Bauantrag, geschweige denn eine Baugenehmigung gibt. Das wäre ein typischer Abriss auf Vorrat – siehe Binz, wo nun seit einem Jahr nicht gebaut wurde.
In was für einem Stadtviertel findet das denn alles statt?
Wir sind in Altstetten, dem Quartier, in dem grade der grösste Druck von Stadt und Immobilienwirtschaft herrscht. Der Stadtteil wurde schon vor Jahren zwischen UBS (Grossbank), SBB (Bahngesellschaft), der Stadt und der MOBIMO (Immobiliengesellschaft, der auch das Labitzke-Areal gehört) aufgeteilt worden. Die spielen jetzt mit riesigen Bauklötzern.

Was bauen die eigentlich für Wohnungen? Kann die ein Barkeeper, eine Bauarbeiterin oder ein Gebäudereiniger bezahlen?
Hier entstehen grade Wohnblöcke im Mittel- und Hochpreissegment und es ist ganz klar, das Menschen verdrängt werden. Da spielt eine Menge zusammen. Es sind ja nicht nur die neuen Wohnungen, die gebaut werden, sondern auch Büros und vor allem das sogenannte „Polizei und Justizzentrum (PJZ), eine Mischung aus Bullenrevier und Knast. Was weg soll, ist die Mischung aus Wohnen und Kleinindustrie, die es hier vorher gab und teilweise noch gibt. Dazu gehört auch, dass der vorher hier vorhandene Strassenstrich in ein geschlossenes Areal von „Sexboxen“ verschoben wurde. Aus den Augen aus dem Sinn. Oder dass es jetzt ein geschlossenes, sehr restriktives „Bundeslager“ für Asylsuchende gibt, womit die Geflüchteten aus dem Stadtbild verschwinden. Nebenbei verschwinden natürlich auch Lebensformen jenseits des Mainstreams. In dem einen Gebäude, das jetzt auch besetzt ist, gab es ein afrikanisches Restaurant, einen portugiesischen und einen albanischen Kulturverein, einen Puff, eine Moschee, einen Club und Wohnateliers, die Arbeits- und Wohnraum für 40 – 50 Leute waren. Alles gekündigt und weg.
Habt Ihr Kontakt zu den Nachbarn, die noch da sind?
Naja, drumherum sind vor allem Büroräume entstanden. Aber es kommen Geflüchtete vorbei und auch Leute aus der „Arche“ einem Drogenhilfsprojekt. Und die Gegenkultur kommt sowieso.
Und wie gehts weiter?
Solange das Gerichtsverfahren anhängig ist, sieht sie MOBIMO von einer Räumung ab. Aber niemand weiss, wie lange sich das hinzieht. Es drohen aber auch hohe Konventionalstrafen gegen die umzugsunwilligen Mieter_Innen. Aber auch wenn die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, werden wir uns dem Abriss auf Vorrat aktiv widersetzen.
Wie kann man euch unterstützen?
Kommt vorbei, schauts euch an und tut was.

Ps.: Zuhause gibts morgen wieder eine Zwangsräumung, die verhindert werden soll. Und zwar um 8.30 Uhr in der Wissmannstr. 10, Berlin-Neukölln. Falls Ihr nicht in Zureich oder sonstwie weg seid… „kommt vorbei, schauts euch an und tut was“.
